Elsass – Baden-Württemberg - Basel

Die Rheininsel im Dreiländereck lässt den wilden Rheins wieder aufleben

Oberhalb der Insel, die den „Altrhein“ vom Rheinseitenkanal nördlich von Basel trennt, entfaltet sich ein Mosaik verschiedener Lebensräume. Zehn Jahre nach der Wiederanbindung eines Flussarms und der Renaturierung von rund hundert Hektar, die früher landwirtschaftlich genutzt wurden, erobert sich die Natur den "Kleinen Rhein" zurück.

île du Rhin - PCA - Léa Merckling © Romain Gascon
© Romain Gascon

Man möchte gerne auf einer der Bänke des Beobachtungspostens Wurzeln schlagen, um die Stelzvögel, Schwimmvögel und Singvögel zu beobachten. Eingebettet auf der Kuppe eines kleinen Hügels im französischen Naturschutzgebiet Petite Camargue Alsacienne auf der Rheininsel nördlich von Basel, steht eine schlichte Holzhütte in einem harmonischen Geflecht aus Schilf. Dahinter ziehen sich zwischen schmalen Landzungen, auf denen Pferde und Kühe weiden, die sanften Windungen des Kleinen Rheins dahin. Auf der gegenüberliegenden Seite säumen Pappeln das Ufer, während Weinberge den Horizont der badischen Landschaft zieren und leise an die Präsenz des Menschen erinnern. Doch diese scheinbar unberührte Szenerie ist in Wahrheit vollständig von Menschenhand geschaffen.

Eine neue Landschaft geprägt vom alten Rhein

An seiner Mündung in die Oberrheinebene bestand der wilde Rhein einst aus einem Geflecht aus Wasserarmen und Kiesbänken. Mit den Ausbauarbeiten ab dem 20. Jahrhundert wurde sein Lauf gezähmt und sein Wasser zwischen dem Rheinseitenkanal und dem Altrhein, dem ursprünglichen Hauptbett, aufgeteilt. Dazwischen entstand eine etwa vierzig Kilometer lange Landzunge, die Rheininsel. Vor knapp zwanzig Jahren wurden 450 Hektar dieses Gebiets, das im Besitz des französischen Energiekonzerns EDF steht, in das Nationale Naturschutzgebiet Petite Camargue Alsacienne (PCA) aufgenommen. Auf einer Fläche von 90 Hektar wurde ein Renaturierungsprojekt umgesetzt, das 2015 abgeschlossen wurde. Anstelle der früheren Getreidemonokulturen fließt heute wieder ein alter Rheinarm, der Kleine Rhein, über sechs Kilometer an der deutsch-französischen Grenze entlang. Sein Wasser erhält er aus einem neu errichteten Wasserkraftwerk. Durch aufwendige Erdarbeiten und gezielte Pflanzungen entstand eine neue Landschaft, die an das ursprüngliche Flussbild erinnert und vom Geist des alten Rheins geprägt ist.

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Léa Merckling, Leiterin des Nationalen Naturschutzgebiets (RNN) der Petite Camargue Alsacienne (PCA). © Romain Gascon

„Es ist, als hätte ein sehr großes Rheinhochwasser Lebensräume wiederhergestellt, die einst verschwunden waren. Die Wasservögel kamen sofort. Heute besuchen mehr als 100 Vogelarten das Gebiet. Wir haben außerdem rund fünfzig Schmetterlingsarten gezählt, ein Zeichen für die Vielfalt der Vegetation, die das Gelände zurückerobert hat“, sagt Léa Merckling lächelnd, Leiterin des Nationalen Naturschutzgebiets (RNN) der Petite Camargue Alsacienne (PCA), die für die Verwaltung des Gebiets zuständig ist.

Die Kraft der Tiere

Der Rhein, heute kanalisiert und reguliert, schafft es aber nicht mehr aus eigener Kraft, die Landschaften zu erhalten, und die großen Bestände wildlebender Pflanzenfresser sind verschwunden. Pferde, Kühe, Schafe und Ziegen, aber auch Biber, die vermutlich aus der nahen Schweiz eingewandert sind, übernehmen diese Rolle. Der Mensch unterstützt dabei, schließlich sind es Nutztiere und keine Wildtiere, die dort weiden. „Das Gebiet wird durch die Kraft der Tiere regeneriert. Sie halten die Lebensräume offen und tragen dazu bei, die vom Rhein geschaffene Biodiversität zu bewahren. Ohne sie hätten wir hier einen großen Pappelwald. Mit ihnen siedelt sich eine ganze Tierwelt an, und eine neue Nahrungskette entsteht“, erklärt die Leiterin. Die PCA praktiziert seit 1990 Beweidung auf dem Gebiet des Naturschutzgebiets und wirkt als Expertin im Interreg-Projekt Biodiv’Pâture mit.

Kreuzkröten und Raubwürger

Zehn Jahre nach Abschluss der Arbeiten beginnen sich Trockenrasen zu entwickeln. Die Pyramidenorchis, eine Orchideenart, breitet sich aus. Etwa ein Dutzend Paare von Raubwürgern, eine typischen Vogelart zu denen beispielsweise der Neuntöter gehört, teilen sich das Gebiet. Flache Wasserstellen, die sich nach Regenfällen füllen und langsam wieder versickern, bieten Lebensraum für Amphibienpopulationen. Die bedrohte Kreuzkröte ist wieder aufgetaucht. Weiße Weidenbestände gedeihen und Schilfgürtel, die im Elsass mit dem Verschwinden der Feuchtgebiete immer seltener werden, werfen einen kleinen Schatten auf das Bild. „Auf diesem Kiesuntergrund verläuft ihre Entwicklung langsamer“, bemerkt Léa Merckling. Die Renaturierungsmaßnahme wird durch wissenschaftliche Begleitungen unterstützt: der EDF (Environmental Defense Fund) erstellt Habitatkarten und die PCA führt unter anderem Artenaufnahmen durch.

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Im Vordergrund ein Schilfgürtel, dahinter der „Kleine Rhein“ und im Hintergrund die Weinberge Badens. © Romain Gascon

Grenzüberschreitende Spaziergänge

Bemerkenswert in Frankreich: Auf Anregung des Nationalrats für Naturschutz wurde ein großes Gebiet von menschlichen Störungen verschont. Für den Rest des Gebiets ermöglichen Wege und vier Beobachtungsposten, den Ort zu erkunden. Die Wege führen Wanderer über die Grenze hinaus und eignen sich auch für eine Erkundungstour mit dem Fahrrad. In der Inselzone des RNN der PCA hört man übrigens häufiger Deutsch als Französisch. Die nächstgelegene Fußgängerbrücke, nur einen Katzensprung vom Eingang entfernt, verbindet die Insel mit dem badischen Land. Von dort aus kann man schon den Basler Hafen sehen.

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Der Oberlauf des „Kleinen Rheins“, des vor zehn Jahren wieder mit Wasser gefüllten alten Rheinarms. © Romain Gascon

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