Grosse Region - Oberrhein

Um ihre Bienen zu retten, nutzen Imker das Wissen ihrer Nachbarn

Das rätselhafte Bienensterben in der Region Grand Est und in Baden-Württemberg, zunehmende Bedrohung durch Raubinsekten und Parasiten sowie die mögliche Rückkehr von Neonikotinoiden in Frankreich alarmieren die Imkerschaft beiderseits des Rheins. Angesichts dieser Bedrohungen sollen die bislang lose geknüpften grenzüberschreitenden Kontakte der Imker nun eine feste, strukturierte Form erhalten.

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Imker aus dem Grand Est bei einer Studienreise im Schwarzwald. © ADA Grand Est

Klimawandel, Parasiten, Pestizide und die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse: Die Zeiten sind hart für Honigbienen und ihre Züchter – und damit auch für die gesamte Biodiversität. Nach dem letzten Winter wurde eine besonders hohe und bislang ungeklärte Übersterblichkeit bei den Bienenvölkern von Baden-Württemberg und dem französischen Grand Est festgestellt. In Baden-Württemberg lagen die Verluste an Bienenvölkern in den letzten Jahren stabil bei etwa 10 bis 15 %. In diesem Winter stieg sie auf etwa 19 %. In der Region Grand Est lag der Durchschnitt zwischen 2010 und 2023 bei 13 %. Vor diesem Hintergrund sorgt ein französischer Gesetzentwurf, der unter anderem die Wiedereinführung der Zulassung des Pestizids Acetamiprid vorsieht, ein Insektizid aus der Gruppe der berüchtigten Neonikotinoide, für zusätzliche Sorgen unter den Imkern.

André Frieh DR

André Frieh, Präsident des Departementsverbands der Imker im Haut-Rhin. DR

„Wir sind überhaupt nicht dafür. Damit gehen wir zehn Jahre zurück. Wir haben die Möglichkeiten, den Einsatz von Pestiziden deutlich zu reduzieren“, beklagt André Frieh, Präsident des Departementsverbands der Imker im Haut-Rhin.

Imkereien der Grenzregion

Acetamiprid ist in der Europäischen Union bis 2033 für die landwirtschaftliche Nutzung zugelassen. Der französische Gesetzentwurf, der vorsieht das Insektizid wieder zuzulassen, hat bei den deutschen Nachbarn des Grand Est, einschließlich Baden-Württemberg, kaum für Aufsehen gesorgt. Das Bundesland, wie auch der Grand Est in Frankreich, zählen national zu den Spitzenreitern bei der Anzahl der Bienenvölker. Ob in der Großregion oder am Oberrhein – überall kämpfen Imker seit Jahrzehnten gegen die Varroamilbe, einen Parasiten, der ganze Bienenvölker zugrunde richtet. Hinzu kommt die rasante Ausbreitung der Asiatischen Hornisse (Vespa velutina), die gezielt Bienen jagt.

“Der Honig wird jedes Jahr durch den Deutschen Imkerbund bei der jährlichen Marktanalyse getestet. Im Saarland gab es 2023 keine Rückstände von landwirtschaftlichen Spritzmitteln im Honig. Viel stärker im Fokus ist die asiatische Hornisse, die unsere Bienen bedroht.” Hedwig Fritz, Vorsitzende des Landesverbands saarländischer Imker e.V.

Hightech-Honig

 Marjorie Tonnelier, @ada-grand-est

Marjorie Tonnelier, Direktorin des Vereins zur Förderung der Imkerei (Ada) im Grand Est. © ADA Grand Est

Marjorie Tonnelier, Direktorin des Vereins zur Förderung der Imkerei (Ada) im Grand Est, der sich hauptsächlich an Fachleute der Branche richtet, bringt die Lage auf dem Punkt: „Der Beruf verlangt immer mehr technisches Können und Anpassungsfähigkeit, bei gleichzeitig immer weniger geerntetem Honig.“

Die Ada greift gelegentlich auf die Hilfe ihrer deutschen Nachbarn zurück. Mit deren Fachkenntnisse in bestimmten Bereichen können sie französische Imker informieren und weiterbilden:  „Die Deutschen sind sehr weit fortgeschritten in der genetischen Zucht von Bienen und der Entwicklung von Behandlungsverfahren für die Zucht. Die Imker aus dem Schwarzwald, deren Spezialität Tannenhonig ist, haben große Erfahrung in der Beobachtung von Blattläusen (1)“, erklärt Marjorie Tonnelier.

Jakob Wegener, Mitglied des Bienenforschungsinstituts in Hohen Neuendorf, stellte die Methoden zur Begattung von Bienenköniginnen bei Mondschein vor. Die Imker aus dem Grand Est unternahmen eine Studienreise in den Schwarzwald mit Christophe Koch, einem Meisterimker und Spezialisten für Honigtau-Sammlungen von Blattläusen. Imker, die Völker in den Vogesen haben, halten engen Kontakt zu ihren Kollegen aus dem Schwarzwald, um zu erfahren, ob das Jahr günstig für Tannenhonig sein wird, dessen Produktion stark vom Wetter abhängt. Auch der Austausch bewährter Praktiken und grenzüberschreitende Käufe von Imkereibedarf sind Teil der Zusammenarbeit.

Varroa-Jagd mit den Wallonen

Der Verband Grand Est greift auf die Expertise von Arista Bee Research Belgien (Stiftung zur Zucht varroaresistenter Bienen mit Sitz in Wallonien) zurück. Zwei Imkergruppen, in Elsass und Haute-Marne, nehmen derzeit an einem Projekt teil, das darauf abzielt, widerstandsfähigere Bienenvölker gegen die Milbe nach der VSH-Methode (Varroa Sensitive Hygiene) zu entwickeln. Das ist ein genetisches Merkmal der Honigbiene, das es ihr ermöglicht, Bienenpuppen zu erkennen, die von der Varroamilbe befallen sind, und diese aus ihren Brutzellen zu entfernen. 

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist ausbaufähig

Abgesehen von diesen gelegentlichen Treffen bleiben die grenzüberschreitenden Beziehungen oft informell und pragmatisch. „Was die grenzüberschreitende Zusammenarbeit betrifft, bestehen aktuell leider nur wenige direkte Verbindungen zu Imkerkollegen im Elsass oder in der Region Basel. Allerdings gibt es erste positive Ansätze – so berichten einige Imkervereine von einem Austausch zur Bekämpfung der Asiatischen Hornisse mit französischen Kollegen“, berichtet Leon Reinhold, Fachberater für Imkerei beim Regierungspräsidium Karlsruhe. Das Bundesland Baden-Württemberg bietet einen eigenen Dienst zur Unterstützung und Begleitung der Imker an.

Elsässische Neonikotinoide im Saarland

Ein Imker aus dem Saarland, Manfred Kraft, der das Projekt „Blühende Heimat“ leitet, hat am 18. Januar in Rheinland-Pfalz ein grenzüberschreitendes Treffen zum gefürchteten Asiatischen Hornissen mit Experten aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien, den Niederlanden, der Schweiz, Österreich, der Slowakei und Luxemburg mitorganisiert. „Die Hornisse ist auf beiden Seiten des Rheins aktiv. Ziel ist es, unsere Anstrengungen zu bündeln, ähnliche Maßnahmen durchzuführen, um effizienter zu sein, und Projekte zur Bekämpfung der Hornisse zu initiieren“, berichtet der Elsässer André Frieh, der an dem Treffen teilgenommen hat. Für diesen Herbst ist eine weitere Konferenz zur Biodiversität mit saarländischen und elsässischen Imkern geplant, um sich über die Folgen der Zulassung von Neonikotinoiden in Frankreich auszutauschen.

Stand der Neonicotinoide in Frankreich

Frankreich hat 2016 den Einsatz von Neonicotinoiden in der Landwirtschaft verboten (umgesetzt 2018), da wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass sie den Bienenvölkern schweren Schaden zufügen, und 2023 die letzten Ausnahmemöglichkeiten abgeschafft. Das Gesetz zur „Beseitigung von Einschränkungen für die Ausübung des Berufs des Landwirts“, das sogenannte Duplomb-Gesetz, das derzeit im Rahmen einer gemischten Paritätischen Kommission diskutiert wird und unter anderem die Wiederzulassung von Acetamiprid vorsieht – das in der Europäischen Union bis 2033 zugelassen ist –, wird von vielen Akteuren aus ökologischer Sicht als rückschrittlich angesehen.

(1) Tannenhonig wird von den Bienen bei Blattläusen gesammelt, nachdem diese den Saft des Nadelbaums verdaut haben.

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