Robert Schuman: Pazifismus, Antinationationalismus, Solidarität und Europa
Anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums, das vom 12. bis 14. September gefeiert wird, wird der Sciences Po Campus in Nancy den Vater Europas Robert Schuman ehren. In seiner berühmten Erklärung vom 9. Mai 1950 bekräftigte er damals pazifistische, antinationalistische und solidarische Werte, die tragischerweise anfangen, in Vergessenheit geraten.

„Schuman neu erfinden – 75 Jahre später: Europa vor der Herausforderung der Eigenständigkeit.“ So lautet das ambitionierte Ziel – zumindest theoretisch – von Sciences Po Nancy, das am Freitag, dem 12. September, sein 25-jähriges Bestehen feiert.
Ein Kolloquium, das Politiker, Wissenschaftler und Experten zusammenbringt, wird sich mit der berühmten Erklärung vom 9. Mai 1950 befassen, in der Robert Schuman die Grundsteine für ein geeintes Europa, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit legte.
Der 9. Mai wurde damals zum Europatag und bleibt seitdem in Erinnerung. Die Erinnerung an den Mann selbst ist jedoch nach und nach verblasst.
Der Anwalt der Versöhnung
Robert Schuman wurde 1886 im Luxemburger Stadtteil Clausen geboren. Er studierte in Deutschland, bevor er 1919 Abgeordneter des Departements Moselle wurde. Bereits bei der zweiten Annexion im September 1940 wurde er von der Gestapo verhaftet, des Widerstands beschuldigt und in Metz, dann später in Trier inhaftiert. Unter Hausarrest gelang ihm im August 1942 die Flucht in die freie Zone, und ab 1944 kehrte er ins politische Leben zurück.
Der ehemalige Anwalt, später Minister und schließlich Präsident des Ministerrats der französischen Vierten Republik, setzte sich fortan für die Versöhnung mit Deutschland, die Einheit Europas und die notwendige Zusammenarbeit mit Afrika ein.

Robert Schuman. © Centre européen Robert Schuman.
„Die Vereinigung der europäischen Nationen erfordert, dass die jahrhundertealte Gegnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland beseitigt wird (…) Der Weltfrieden kann nicht gesichert werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung angemessen sind. Der Beitrag eines organisierten und lebendigen Europas zur Zivilisation ist unentbehrlich für die Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen“, heißt es in der Erklärung vom 9. Mai.
Der Text prangert zudem den Nationalismus an: „Der Patriotismus, dieses edle Gefühl, das die Nationen geformt hat, ihnen großartige Aufgaben vorgeschlagen und ihre Durchführung ermöglicht hat, ist häufig abgewichen, in einen unerträglichen Fanatismus entartet und so zu einer Quelle der Unsicherheit und brüderlichen Zerrissenheit geworden“, so Robert Schuman.
Weniger bekannt ist ein Abschnitt des Textes, der sich eine besonders auf Afrika ausgerichtete internationale Zusammenarbeit zum Ziel setzt:
„… Diese Produktion wird der ganzen Welt ohne Unterschied und Ausschluss angeboten, um zur Hebung des Lebensstandards und zum Fortschritt der Werke des Friedens beizutragen. Europa wird mit erweiterten Mitteln eine seiner wesentlichen Aufgaben weiterverfolgen können: die Entwicklung des afrikanischen Kontinents.“
Der Krieg ist zurückgekehrt
Die pazifistischen Überzeugungen des Vaters Europas haben zweifellos dazu beigetragen, den Frieden 75 Jahre lang im Westen des Kontinents zu bewahren. Doch der Krieg tobt wieder im Osten.
1991 führte der Zerfall Jugoslawiens zu zehn Jahren Konflikten in Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und im Kosovo.
Im Jahr 2008 kann die Annexion georgischer Gebiete durch Russland als Hinweis des Krieges gesehen werden, der seit Februar 2022 zwischen der Ukraine und Russland tobt.
Als unmittelbare Folge des Krieges hat sich der Nationalismus in den letzten drei Jahrzehnten unaufhörlich ausgeweitet und rechtsextreme Parteien in mehreren europäischen Ländern an die Macht gebracht.
Schließlich hat sich der afrikanische Kontinent aus eigener Kraft entwickelt, da er kaum auf europäische Hilfe zählen konnte.

Richard Stock, Ehrenpräsident des Europäischen Zentrums Robert Schuman
„Man muss feststellen, dass die heutige Realität den Aussagen von Robert Schuman widerspricht. Zu seiner Zeit wurden seine Worte gehört, weil die europäischen Völker - die Frieden und Sicherheit wollten - verstanden hatten, dass dies nur durch die Einigung des Kontinents erreicht werden konnte“, analysiert Richard Stock, Ehrenpräsident des Europäischen Zentrums Robert Schuman.
Der Experte, jetzt im Ruhestand, hat zahlreiche Vorträge über Robert Schuman anlässlich des 75. Jahrestages seiner Erklärung gehalten. Er wird am Kolloquium in Nancy teilnehmen und plant einen weiteren Vortrag in Brüssel im Laufe des Septembers.
Frieden – ein Kampf, der neu aufgenommen werden muss
Ganz ist Robert Schuman aber nicht in Vergessenheit geraten. Zahlreiche Plätze, Alleen, Statuen und Kongresszentren in der Großregion tragen seinen Name.
Seine letzte Ruhestätte in Scy-Chazelles, wo er 1963 verstarb, ist die letzte öffentlich zugängliche Gedenkstätte.
Das mosellanische Dorf beherbergt auch das Europäische Zentrum Robert Schuman, das sein Werk und Andenken fördert. In Luxemburg wurde sein Geburtshaus vom Großherzogtum erworben und beherbergt heute das Robert-Schuman-Zentrum für europäische Studien und Forschung (CERE), das der Forschung über die Geschichte der europäischen Integration gewidmet ist und seit 2016 zur Universität Luxemburg gehört.
In Deutschland hält die katholische Studentenverbindung Unitas Robert Schuman seinen europäischen Geist lebendig, während die Fondation Robert Schuman, mit Sitz in Paris und Brüssel, als Think Tank Konferenzen organisiert und zur europäischen Reflexion beiträgt.
Das Andenken an den wohl europäischsten aller Europäer ist zwar nicht verschwunden – doch die Kraft seiner Ideen verblasst allmählich. Der Kampf für Frieden, europäische Einheit und internationale Solidarität muss daher neu entfacht werden.
© André Faber.