Appell von Straßburg: Europas Weinregionen müssen an einem Strang ziehen
Am 21. Oktober kamen im Sitz der Region Grand Est in Straßburg Fachleute der Weinbranche und Politiker zum European Wine Day zusammen. Der Tag stellte die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung des Weins in Europa in den Mittelpunkt und endete mit dem Straßburger Appell, den 23 Weinregionen aus zehn Ländern unterzeichneten.

Am 21. Oktober stand die Winzerbranche im Mittelpunkt eines Treffens in der Hauptstadt Region Grand Est: Straßburg. Der zweite European Wine Day brachte Wirtschaftsvertreter, Politiker und Winzer zu einer Reihe von Debatten und Workshops zusammen.
Die Großregion stark vertreten
„Welche europäischen Politiken und Mittel braucht es, um in der EU wieder eine wettbewerbsfähige Weinwirtschaft zu schaffen?“, „Zukünftige GAP und MFR – Fokus auf den Weinsektor“ oder „Dreifache Leistung: Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft in Einklang bringen“ waren Themen, die die Konferenzen des Tages bestimmten.
Zur Eröffnung sprach Christophe Hansen, EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung aus Luxemburg. Parallel zur Plenarsitzung nahmen auch mehrere Europaabgeordnete teil, darunter Esther Herranz García (EVP), Dario Nardella (S&D), Carmen Crespo (EVP), Eric Sargiacomo (S&D) und Dan-Ştefan Motreanu (EVP).

Franck Leroy und Christophe Hansen. © Jean-Luc Stadler/Région Grand Est.
„Unsere Weinberge stehen durch die Klima-, Handels- und Konsumkrisen unter Druck. Der weltweite Weinkonsum sinkt, obwohl fast drei Viertel der exportierten Weine aus Europa stammen. Wir verfügen über ein einzigartiges Know-how. Die Europäische Kommission muss an der Seite der Weinregionen stehen“, forderte Franck Leroy, Präsident der Region Grand Est und seit März 2015 Vorsitzender der Association des Régions Européennes Viticoles (AREV)
Konkurrenz durch Hopfen
Kurz vor der Unterzeichnung des Appells von Straßburg für ein „stolzes Europa des Weinbaus“ hielt der Konsumforscher Olivier Dauvers zum Abschluss ein „Plädoyer für eine Revolution“. In seinem Vortrag ging es un die Widersprüche, mit denen Verbraucher beim Weinkauf konfrontiert sind. „Der Konsument steht ratlos vor der Weinwand im Supermarkt. Zu technisch, zu unübersichtlich, zu unoriginell“, warnte Dauvers die Fachleute.
Im Jahr 2024 tranken die Europäer 103,6 Millionen Hektoliter Wein, rund 48 % des weltweiten Konsums. Das ist ein Rückgang um 2,8 % gegenüber 2023.

Yves Madre, Präsident des European Wine Day. © Jean-Luc Stadler/Région Grand Est.
„Die Bierbranche hat ihren Markt weiterentwickelt und ihre Verkäufe gesteigert. Früher gab es nur eine recht einheitliche Biermarke, heute hat sich das Angebot durch geschicktes Marketing enorm diversifiziert. Beim Wein herrscht dagegen Unsicherheit. Wir müssen das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen und zwar durch ein klares Produkt, ein Versprechen, eine starke Kommunikation und einen fairen Preis“, erklärte Yves Madre, Präsident des European Wine Day.
Und die Lösungen?
Der Appell von Straßburg bleibt bewusst allgemein gehalten, um der Vielfalt der Regionen und ihrer spezifischen Herausforderungen gerecht zu werden.
„Je nach Weinregion sind die Probleme unterschiedlich: In der Champagne spricht man über die Goldgelbe Vergilbung, im Elsass über schwierige wirtschaftliche Bedingungen mit Crémants, die sich gut behaupten, während viele andere Betriebe kämpfen. In Lothringen träumen wir davon, eine echte Weinbranche aufzubauen: Die Qualität steigt, aber die Bekanntheit fehlt noch“, erklärte Franck Leroy.
Vor Ort bewerteten einige Produzenten den Appell als „starkes politisches Signal, aber nicht konkret genug“. Jérôme Bauer, Präsident der Confédération nationale des producteurs de vins (Nationalkonföderation der Winzer) und Winzer in Herrlisheim bei Colmar, verwies auf die ungelösten Probleme. Er fordert „konkrete Vorschläge zur Entlastung der Biowinzer“.
„Heute muss ein Betrieb vollständig biologisch wirtschaften, um zertifiziert zu werden. Doch manche Winzer besitzen steile Hanglagen, die lokal eine andere Behandlung erfordern. Dadurch wird ihre Arbeit gar nicht als biologischer Anbau anerkannt. Diese Widersprüchlichkeit abzuschaffen würde vielen ermöglichen, schrittweise und sicher auf Bio umzustellen und dabei das entsprechende Know-how zu entwickeln“, so Bauer abschließend.
© Jean-Luc Stadler/Région Grand Est