Zweierpasch: Zwischen Hip-Hop, Märchen und Grenzen
Seit 2012 macht die Freiburger Band Zweierpasch weit mehr als nur Rap: Sie baut Brücken zwischen Menschen und Kulturen. Mit Bildungsworkshops, grenzüberschreitenden Konzerten und Konzeptalben stellen sie ihr Hip-Hop-Projekt immer internationaler auf.

Ob Open Mic auf einem Boot oder Rap-Battles unter Schülern: Zweierpasch verlässt regelmäßig das Studio. Die Zwillingsbrüder Felix und Till Neumann sind ursprünglich garnicht zweisprachig aufgewachsen, aber dann haben sie sich als Jugendliche in Frankreich verliebt. Heute sind sie zwischen Straßburg und Freiburg unterwegs und lehnen jede Schublade ab. Ihr Credo: Grenzen überwinden, ob sprachlich, geografisch oder musikalisch.
Viel mehr als nur zweisprachiger Rap
Die Gründung von Zweierpasch reicht ins Jahr 2012 zurück. Damals nannten sechs Musiker aus Freiburg, darunter die Neumann-Zwillinge, ihr Projekt „Zweierpasch“. Mit den Jahren hat sich die Besetzung verändert: Heute gehören fünf Musiker, drei Tänzer.innen und zwei Techniker zum Team. Ihr Debutalbum erschien 2013 anlässlich des 50. Jubiläums des Élysée-Vertrags. Seither bestätigen Auszeichnungen und zahlreiche Konzerte im Oberrhein, dass sie ihre Kunst verstehen. Doch die Band will sich nicht auf den deutsch-französischen Kontext reduzieren lassen:

Felix Neumann mit einem Zuschauer, nach dem Beats on the Boat Konzert. © Fabian Gomond.
„Ich denke nicht, dass die Überwindung von kulturellen Grenzen in jedem unserer Songs das Hauptthema ist. Wir behandeln viele andere Inhalte. Am 26. September haben wir die Single Lichtung veröffentlicht, ein Song über persönliche Krisen und Liebe“, erklärt Felix.
Party auf der Ill
Till beschreibt Zweierpasch als „ein interkulturelles, kreatives Friedensprojekt“. Das politische Engagement der Band ist klar: In ihren Texten beziehen sie Haltung gegen Krieg und Konflikte in der ganzen Welt. Am 19. Juli 2025 griff das Event Beats on the Boats dieses Thema auf und brachte gleichzeitig die Ill zum Beben. Auf einem Batorama-Schiff mit offenem Dach spielte die Band vor rund 30 Zuschauern, während das Schiff das Konzert quer durch das Straßburger Viertel Petite France trug.

Beats on the Boats, ein einzigartiges Erlebnis an Bord eines Batorama-Flussbootes. © Fabian Gomond.
Zweierpasch hat mit einer offenen Bühne zum Thema „Krieg und Frieden“ einen Raum für Beiträge zu dem Krieg in der Ukraine und zu der schwierigen Lage in Afghanistan geschaffen.

© Fabian Gomond
Beats on the Boats ist bereits die vierte Ausgabe einer jährlichen Reihe. Seit 2022 wählen Zweierpasch jedes Jahr einen ikonischen Ort am Oberrhein aus: das UFA-Palastkino in Stuttgart (2022), die Tramlinie D zwischen Straßburg und Kehl (2023) oder den höchsten Gipfel des Schwarzwalds (2024). Diesmal wurde zudem eine „Flaschenpost“ auf die Reise geschickt, in der die Teilnehmer ihre Sorgen um die Gesellschaft notierten. Sie sollte eigentlich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erreichen, wird nun aber in den Rhein geworfen – mit einem GPS-Sender, um ihre Reise nachzuverfolgen.

Die Flaschenpost. © Fabian Gomond.
Für solche grenzüberschreitenden Events arbeitet Zweierpasch nur mit wenigen, spezialisierten Kulturorganisationen wie Multicore (Freiburg) oder Genau (Straßburg) zusammen. „Es gibt nicht viele Strukturen, die solche Projekte mittragen. Alle Anträge müssen doppelt gestellt werden, auf Deutsch und Französisch“, betont Felix Neumann.
Zweierpasch und die Jugendarbeit
Von der Musik allein leben können die wenigsten. Auch Zweierpasch sichern ihr Einkommen durch Teilzeitjobs: Felix arbeitet beim Diakonischen Werk Ortenau in Kehl, Till ist Kulturjournalist beim Magazin Chilli in Freiburg. Diese Sicherheit erlaubt es ihnen auch, Produktionskosten im fünfstelligen Bereich vorzufinanzieren. „Ehrlich gesagt kenne ich vielleicht fünf Musiker, die nur von ihrer Kunst leben. Sie wissen genau, dass ihre Rente später sehr gering ausfallen wird“, so Felix Neumann.
Die Brüder haben sich entschieden, Bildungsworkshops mit HipHop zu verbinden. Mit "HipHop macht Schule" touren sie durch Schulen und veranstalten Rap-, Beatmaking- und Performance-Workshops.
2016 verknüpften sie im Projekt Rapconte Rap mit Literatur. Gemeinsam mit Schülern brachten sie Grimms Märchen in Rap-Form auf die Bühne. Im gleichen Jahr erschien sogar ein Album, darunter "Der gestiefelte Kater", "Hänsel und Gretel", "Das tapfere Schneiderlein" und "Rapunzel".
Auch die Wissenschaft hat das pädagogische Engagement der Band anerkannt: Texte von Zweierpasch finden sich inzwischen in Schulbüchern des Klett Verlags und des Nathan Verlags, neben Auszügen aus Songs von Stromae.
Seit 2018 organisiert Till zudem die École du Flow. Jährlich schreiben 1.000 bis 2.000 Schüler aus Frankreich und Deutschland eigene zweisprachige Rapsongs. Alle Teilnehmenden sind zum Finale eingeladen. Aber nur die 6 besten Gruppen können ihren Song auf der Bühne performen. Die Austragungsorte wechseln: Freiburg, Straßburg, Besançon, Nancy. 2026 wird die siebte Ausgabe in Mannheim stattfinden.
Das aktuelle Album heißt Live auf der Hornisgrinde. Für das Gipfelkonzert wurde der exklusive Song "Schwarzwald Sound" mit der Sängerin Chiiara produziert und dazu ein Videoclip an weiteren Schwarzwaldspots (u.a. Mummelsee) gedreht. Der über einstündige Konzertzfilm findet sich auf Youtube.

Till Neumann, Projektleiter der Ecole du flow. © panoramique pix.
„Die Organisation ist zeitintensiv. Aber wir haben jedes Jahr riesigen Spaß mit einer unglaublichen Zahl von Jugendlichen. Die Finalshows sind der Höhepunkt, Gänsehaut pur für alle Beteiligten. Es ist fantastisch, die Kids in mehreren Sprachen performen und über sich hinauswachsen zu sehen“, sagt Till Neumann.
Vom Quai d’Orsay bis Bamako
2018 erhielten Zweierpasch den renommierten deutsch-französischen Preis Adenauer-de Gaulle im Pariser Quai d’Orsay. Damit reihte sich die Freiburger Band, neben Preisträgern wie Helmut Schmidt über Jacques Delors bis Arte, in eine Liste großer Namen ein.
„Und doch zählt dieser Preis nicht zu unseren Top-5-Momenten. In Bamako vor 10.000 Menschen aufzutreten, in Kiew ein Jahr nach dem Maidan, in Astana, Nouakchott oder auf La Réunion, das sind viel verrücktere Erlebnisse als eine offizielle Zeremonie in Paris. Natürlich fühlen wir uns trotzdem sehr geehrt“, erzählt Felix.
Ein Paradox bleibt: Trotz solcher institutioneller Anerkennung haben zweisprachige Songs im Radio oft einen schweren Stand. Doch ob sie Hänsel und Gretel rappen, eine Bühne auf einem Berggipfel errichten oder eine Straßenbahn zwischen zwei Ländern zum Vibrieren bringen, Zweierpasch überrascht immer wieder. Ihr Hip-Hop ist ausdrucksstark, pädagogisch, politisch. Und grenzenlos.
Zweierpasch Konzert in der Tram D, zwischen Straßburg und Kehl. © Antonin Lutz.