Oberrhein

Interkulturelles Management, eine wirtschaftliche Herausforderung in Grenzregionen

Am 17. November hat die Handelskammer Frankreich-Schweiz den hartnäckigen Unterschieden in Arbeitseinstellungen und Unternehmenswahrnehmungen zwischen Franzosen, Deutschen und Schweizern eine Podiumsdiskussion gewidmet. Mehrere Führungskräfte berichteten von dieser Komplexität, die aber an einem trinationalen Ort zu einem Vorteil werden kann: wie am EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg.

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© André Faber

Hinter dem fast feierlichen Begriff „interkulturelles Management“ stehen oft ganz banale Alltagsrealitäten. Für viele Französinnen und Franzosen bedeutet Pünktlichkeit „zur angegebenen Zeit kommen“, während Deutsche oder Schweizer meist 5–10 Minuten früher da sind. In Frankreich ist die morgendliche Begrüßung per Wangenkuss normal, während Nachbarn eher auf Abstand bleiben. Solche Unterschiede und Vorurteile können wirtschaftlich hinderlich sein.

So werden deutsche Investorinnen und Investoren häufig von den französischen Arbeitsprozessen abgeschreckt – zum Beispiel vom Schwellenwert von 50 Beschäftigten, ab dem ein Sozial- und Wirtschaftsausschuss (CSE) eingerichtet werden muss. Oft zu Unrecht.

© Mathieu Noyer.

Sophie Gossmann, Anwältin in Straßburg in der deutsch-französischen Wirtschaftskanzlei Epp. © Mathieu Noyer.

Die Deutschen kennen diese Situation nicht, tatsächlich ist das System nicht vergleichbar. Das französische CSE hat im Wesentlichen nur eine beratende Funktion und die Mitgliederquote ist niedriger als in Deutschland“, erklärt Sophie Gossmann, Anwältin in Straßburg in der deutsch-französischen Wirtschaftskanzlei Epp.

Die Frage der zu „überwindenden“ Unterschiede, um vielmehr „Synergien zu stärken“, wurde am 17. November eine Runde von Unternehmensleitern gestellt. Die Veranstaltung der Handelskammer Frankreich–Schweiz fand an einem ausgesprochen symbolträchtigen Ort statt: dem EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg. In diesem findet täglich interkulturelles Management statt. Unter den 450 Beschäftigten des Flughafens haben 90 % einen französischen und die übrigen einen Schweizer Arbeitsvertrag, je nach Wohnsitz. Ob Frankreich oder Deutschland für die einen, oder die Eidgenossenschaft für die anderen, bedeutet das unterschiedliche Löhne für die gleiche Arbeit. Diese Besonderheit prägt den Alltag, doch funktioniert seit der Gründung des Flughafens 1949.

"Wenn es nur um die Sprache ginge, könnten wir alles mit Kursen lösen. Aber das reicht nicht. Hinter den Worten stehen unterschiedliche Vorstellungen", erinnert Elodie Caizergues, Personalchefin des EuroAirport.

Unternehmen sind Orte, an denen Kulturen stark aufeinanderprallen können. Allein Funktionen wie Personalwesen, Finanz- und Rechnungswesen oder Produktion variieren von Land zu Land.

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Daniel Rollier, Vorsitzender von SES-Sterling. © Mathieu Noyer.

„Für Deutsche oder Schweizer sind Meetings im professionnellen Umfeld sehr wichtig. Meistens kommen Sie sehr gut vorbereitet an. Franzose haben es leichter, ohne viel Vorarbeit zu erscheinen, da die Sitzung dazu dienen, Themen weiterzubringen und verschiedene Meinungen durch Diskussion näherzubringen. Wenn man diesen Unterschied kennt, muss man sich entsprechend organisieren… und genügend Zeit im Kalender einplanen“, betont Daniel Rollier, Vorsitzender von SES-Sterling.

Die Schwierigkeiten treten vor allem in Konfliktsituationen auf. „Dann kommt jeder zu dem Schluss, dass der andere nicht den notwendigen Schritt auf ihn zu macht. Man verharrt in seiner eigenen Sichtweise und schimpft auf die Arroganz des Nachbarn“, berichtet Rollier.

Unverzichtbare Offenheit

SES-Sterling stellt Kabelzubehör her. Der Geschäftsführer, dessen Hauptwerk mit rund 300 Beschäftigten im französischen Hésingue liegt, sieht darin eher Chancen als Hindernisse. „Ein Berliner ist ganz anders als ein Badener, das startet schon beim Dialekt. In der Wirtschaftswelt, in der wir leben, kann ich mir nicht vorstellen, wie ein Unternehmen überleben soll, wenn es sich nicht für die vielfältigen Kulturen von Mitarbeitern öffnet, die aus verschiedenen Ländern kommen und ihre jeweiligen Märkte gut kennen.

Typisch für Unternehmen ist: Wenn gemeinsame Werte definiert werden, hilft das dabei, ausländische Kolleginnen und Kollegen besser zu verstehen. Das gilt auch für Rational, einen deutschen Hersteller von Küchengeräten. Am Standort im elsässischen Wittenheim arbeiten Menschen aus zehn Nationen – und sie machen die gleiche Erfahrunng.

 

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Karine Albert-Marboeuf, DRH de Rational France.© Mathieu Noyer.

Jedes Wort, jeder Ausdruck wird abgewogen und analysiert, weil er unterschiedliche Interpretationen hervorruft. Eine konsensfähige Definition zu finden, ist eine schwierige aber interessante Übung“, berichtet Karine Albert-Marboeuf, Personalchefin von Rational Frankreich.

Pragmatismus

Auch wenn Interkulturalität gelehrt wird, wie an der Universität Haute-Alsace, basiert ihre Umsetzung im Unternehmen vor allem auf Pragmatismus, wie die Teilnehmenden betonten. Sie bleibt zudem stark an nationale Besonderheiten gebunden. In diesem Bereich ist eine echte europäische Integration noch ein fernes Ziel, solange sie nicht einfach auf eine einzige Arbeitssprache reduziert wird: Englisch.

 

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