Grenzüberschreitender Einzelhandel hält sich in Grenzen
Grenzüberschreitendes Einkaufen ist eine unbestreitbare Realität in der Dreiländerregion an der Grenze zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz, aber nicht so massiv wie angenommen. Eine Podiumsdiskussion der RegioTriRhena hat diese Entwicklung am 5. November aufgezeigt.

Die am 5. November in Weil am Rhein (Baden-Württemberg) vom Verein RegioTriRhena organisierte Podiumsdiskussion stützte sich auf eine aktuelle, sehr umfassende Studie des Basler Instituts BAK Economics, um die Debatte zu beleuchten.
Diese weist auf eine ausgewogenere Verteilung der Aktivitäten hin, die der These eines Massentourismus in der Dreiländerregion TriRhena, die aus den Kantonen der Nordwestschweiz, dem Süden des deutschen Badenund dem französischen Departement Haut-Rhin besteht, nicht zustimmt.
Zwar konzentriert sich der größte Anteil an Beschäftigten und Umsätzen im Einzelhandel auf die Schweiz, doch dieser wird durch die insgesamt so starke wirtschaftliche Dynamik relativiert. Von den 131.400 Beschäftigten im Handel, die BAK Economics in der Dreiländerregion erfasst (das sind 7,2 % der Gesamtzahl), befinden sich 45 % in der Nordwestschweiz, 37 % in Südbaden und der Rest im Elsass. Ebenso erzielen Basel und Umgebung rund 60 % des Umsatzes des trinationalen Einzelhandels (20 Milliarden Euro von insgesamt geschätzten 34 Milliarden), weit vor dem deutschen (28 %) und dem französischen Sektor (5,3 Milliarden Euro).
Schweizer Franken
Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen hat der Handel in Basel und den benachbarten Kantonen (6,3 % der Beschäftigten und 3,2 % der Wertschöpfung) jedoch weniger Gewicht als in Südbaden (8,4 % der Beschäftigten und 5 % der Wertschöpfung) und im Südelsass (7,8 % der Beschäftigten und 4,6 % der Wertschöpfung). „Das sehr große Gewicht der Chemie- und Pharmaindustrie und ganz allgemein die Dynamik der Industrie in der Region Basel mildern die Auswirkungen des Handels, obwohl in absoluten Zahlen die Schweizer Seite grenzüberschreitend dominiert”, erklärt Julien Burkhard, Projektleiter bei BAK Economics und Verantwortlicher für die Studie (1).
Wie bedeutend sind die grenzüberschreitende Einkaufsströme? Das Dokument versucht eine Antwort zu geben, zumindest aus Sicht der Schweiz. Verbraucher aus der Nordwestschweiz würden jährlich zwischen 5 und 8 Milliarden Euro auf der deutschen und französischen Seite ausgeben. „Etwa 10 % des Konsums auf der Schweizer Seite sei grenzüberschreitend”, übersetzt Julien Burkhard. „Der starke Schweizer Franken erhöht die Kaufkraft der Basler“, betont der Ökonomist.

La Dreiländergalerie a ouvert en 2022 pour une clientèle transfrontalière à Weil-am-Rhei. © 21m
Erhebliche Preisunterschiede
Als Antreibsfaktor wird in der Regel der beste Preis genannt. Dies scheint durch eine weitere Studie der Universität St. Gallen bestätigt zu werden. Sie bezieht sich auf alle Schweizer Verbraucher und schätzt den Anteil von Lebensmitteln und anderen Produkten des täglichen Bedarfs an ihren Einkäufen auf zwei Drittel. Lebensmittel sind in Deutschland und Frankreich einfach billiger, wie die Studie von BAK Economics bestätigt. Das Institut hebt einen Unterschied von 22 bis 29 % gegenüber den Preisen in der Nordwestschweiz hervor, „obwohl die Grenzlage einige Mehrkosten verursacht, da die Durchschnittspreise in Mulhouse um 6 % über denen im übrigen Frankreich liegen und in Freiburg im Breisgau ein Unterschied von + 4 % gegenüber Deutschland besteht”.
Der grenzüberschreitende Handel ist also Realität. Sein wohl deutlichstes Beispiel ist das Rheincenter in Weil am Rhein (Baden-Württemberg): Es liegt direkt an der Straßenbahnlinie nach Basel und der Dreiländerbrücke für Fussgänger über den Rhein nach Huningue und hat höchstens 10 % deutsche Kunden, 75 % kommen aus der Schweiz und der Rest aus Frankreich.

Stéphane de Brabander, Vorsitzender des Händlerverbands Les Vitrines de Saint-Louis. © DR
„Die Generation unserer Eltern fuhr viel leichter auf die andere Seite, um einzukaufen. Die neue versucht, möglichst nah und schnell einzukaufen. Sie ist weniger bereit, weitere Kilometer zurückzulegen, um die Grenze zu überqueren, sie spricht weniger Deutsch... und sie bestellt online”, berichtet Stéphane de Brabander, Vorsitzender des Händlerverbands Les Vitrines de Saint-Louis.
Das Ende der großen Einkaufszentren
Der Vertreter der Händler weist auch auf die Auswirkungen der Grenzkontrollen hin, die Deutschland seit einigen Monaten wieder eingeführt hat. Die Entwicklungen scheinen die Aussicht auf eine trinationale Region, die sich zu einem Eldorado der großen Einkaufszentren entwickelt, zunichte zu machen. Diese zeichnete sich jedoch bis Anfang der 2010er Jahre ab, mit einer Häufung von Projekten im Zuge der Eröffnung des Stucki-Komplexes in Basel mit seinen 32.000 qm Verkaufsfläche im Jahr 2009.
Seitdem wurde die grenzüberschreitende Landschaft lediglich durch die Dreiländergalerie in Weil am Rhein (16.000 m² Verkaufsfläche, 26.000 m² einschließlich Restaurants und anderer Dienstleistungen) ergänzt. In dieser Hinsicht ist die Aufgabe des Megaprojekts Unibail-Rodamco im Jahr 2022, das bis zu 90.000 m² am Stadtrand von Saint-Louis vorsah, von hoher symbolischer Bedeutung.

© URW.

Stéphanie Gerteis, stellvertretende Handelsbeauftragte in Saint-Louis. © Ville de Saint-Louis
„Es ist wirklich das Ende der Ära dieser Giganten. In Saint-Louis kommen unsere Kunden aus dem Grenzgebiet wegen der Lebensmittel, der Gastronomie und des Kunsthandwerks in kleinen Boutiquen“, meint Stéphanie Gerteis, stellvertretende Handelsbeauftragte in Saint-Louis.
Weniger arbeiten und nicht unbedingt in der Schweiz
Die Politikerin aus Saint-Louis weist auf den Unterschied beim zulässigen Steuerbefreiungsbetrag für Kunden hin, die in Schweizer Franken bezahlen: In Deutschland ist dies bereits ab 50 Euro möglich, in Frankreich erst ab 100 Euro. Insgesamt spiegeln die von RegioTriRhena organisierten Gespräche jedoch gemeinsame Probleme wider: die Auswirkungen des Online-Handels, die Priorität der Beratung zur Rettung des traditionellen stationären Handels und die zunehmende Schwierigkeit, junge Menschen für diese Berufe zu gewinnen.

Lukas Ott, Leiter Stadtentwicklung im Kanton Basel-Stadt. © Lukas Ott
„Der gesellschaftliche Wandel ist deutlich zu spüren. Junge Menschen sind nicht mehr bereit, wie ihre Vorgänger im Einzelhandel zu arbeiten. Die Forderung nach einer Vier-Tage-Woche wird immer lauter, und auch in Basel können wir uns dem nicht entziehen. Das kann man nicht ignorieren", schätzte Lukas Ott, Leiter Stadtentwicklung im Kanton Basel-Stadt.
Vor diesem Hintergrund erschien die Befürchtung einer Abwanderung von Arbeitskräften nach Basel nicht besonders besorgniserregend. Auf deutscher Seite „sind die Mitarbeiter uns treu, wir spüren keine nennenswerte Konkurrenz durch die Arbeit im benachbarten Schweiz“, versicherte Philipp Frese, Vertreter der IHK Südlicher Oberrhein. In Saint-Louis sei der Anteil junger Menschen, die eine Anstellung in Schweizer Geschäften suchen, laut Stéphane de Brabander „sehr gering“.
Die Zahl der Grenzgänger im Handel liegt in der Nordwestschweiz laut einer Studie von BAK Economics bei knapp über 4.000, was einem Anteil von 7 % entspricht. Weit entfernt von den Anteilen in der Industrie, insbesondere in der Chemie- und Pharmabranche, wo sie auf 25 % steigt
(1) « Volkswirtschaftliche Einordnung des grenzüberschreitenden Einzelhandels »
© André Faber