GRAND EST

Ein Jahrtausend jüdisches Erbe fotografiert und ausgestellt in Buchsweiler

Das jüdisch-elsässische Museum in Buchsweiler (frz.: Bouxwiller) zeigt aktuell die Ausstellung „Zehn Jahrhunderte Judentum – Ein Blick auf das jüdische Erbe im Grand Est“. Rund fünfzig Fotografien präsentieren das jüdische Kulturerbe des Elsass. Die Ausstellung  sucht in Frankreich seinesgleichen – von zahlreichen denkmalgeschützten Synagogen in Lothringen bis hin zu bedeutenden Stätten in der Champagne, der Heimat des weltweit bekannten Talmudgelehrten Rachi.

Buchsweiler Jüdisches Kulturerbe Grand Est
Der Eingangsbereich des jüdisch-elsässischen Museums in Buchsweiler. DR

Die ehemalige Synagoge In Buchsweiler im Departement Bas-Rhin wäre beinahe als Parkplatz für einen Supermarkt geendet. Dieses für die 1980er Jahre typische Schnellverfahren konnte dank des engagierten Einsatzes eines Vereins, der sich für die Umwandlung in ein jüdisch-elsässisches Museum starkmachte, erfolgreich verhindert werden. Seit 1998 erzählt das Museum, das in einem Gebäude aus dem 19. Jahrhundert untergebracht ist, anhand von Objekten, Bildern und liebevoll inszenierten Alltagsszenen die Geschichte und Kultur der jüdischen Gemeinschaft im Elsass.

Jedes Jahr zeigt das Museum eine Wechselausstellung, die zusätzliche Einblicke bietet. Seit diesem Frühjahr und noch bis zum 30. Oktober sind rund 50 Fotografien unter dem Titel „Zehn Jahrhunderte Judentum – Einblicke in das jüdische Erbe der Region Grand Est“ („Dix siècles de judaïsme – Regards sur le patrimoine juif dans le Grand Est“) zu sehen. Die Aufnahmen stammen aus dem Generalinventar des Kulturerbes. Das Inventaire général du patrimoine culturel ist ein staatliches Organ in Frankreich, das die Aufgabe hat, kulturelles, historisches und wissenschaftliches Erbe zu erfassen, zu untersuchen und bekannt zu machen.
Vor ihrer Station in Buchsweiler war die Ausstellung bereits in Straßburg sowie im vergangenen Jahr in Troyes zu sehen – der Geburtsstadt des berühmten rabbinischen Gelehrten Rachi. Nach der Annexion von Elsass-Lothringen im Jahr 1870 suchten viele jüdische Optanten aus dieser Region in Troyes, der Präfektur des Départements Aube, Zuflucht.

Die ehemalige Synagoge hat Potenzial UNESCO-Weltkulturerbe zu werden

Trotz seiner überschaubaren Fläche zählt das Elsass zu den bedeutendsten Zentren jüdischer Kultur in Europa. Sein Erbe reicht vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Dieser kulturelle Reichtum ist in Frankreich nahezu einzigartig. Vor diesem Hintergrund setzen sich mehrere Persönlichkeiten aus dem Elsass für die Anerkennung des elsässisch-jüdischen Erbes als UNESCO-Weltkulturerbe ein – ganz in der Tradition der SchUM-Stätten (Akronym aus den hebräischen Namen der Städte Speyer, Worms und Mainz), die 2021 in die Welterbeliste aufgenommen wurden, sowie Erfurt, das 2023 folgen soll.

Ein halbes Jahrhundert der Forschung

Im Elsass gibt es Aufzeichnungen von mehr als 200 Orten, darunter etwa 120 Synagogen, aber auch rituelle Bäder oder Friedhöfe. Wie die Überreste einer Synagoge aus dem 12. Jahrhundert, die in der Kleinstadt Rouffach im Département Haut-Rhin mit der Fassade eines einfachen Fachwerkhauses vermischt sind, sind viele dieser Kulturstätten jedoch nicht zugänglich, verlassen oder befinden sich in Privatbesitz. 

Der Reiz der Ausstellung liegt somit darin, sowohl den Blick zu schärfen als auch ihn auf die gesamte Region Grand Est auszuweiten. Die Fotografien stammen aus über einem halben Jahrhundert Forschungsarbeit im Rahmen des "Inventaire général". Sie zeigen außergewöhnliche Architektur, Goldschmiedearbeiten und Alltagsgegenstände – eindrucksvolle Zeugnisse eines einzigartigen kulturellen Erbes.

Bouxwiller Patrimoine juif Grand Est

Das Plakat der Sonderausstellung, die bis zum 30. Oktober zu sehen ist. DR

Das Inventar des fragilen Kulturerbes

Das "Inventaire général", dessen Aufgabe es ist, die Schätze des französischen Kulturerbes zu erfassen, zu erforschen und einem breiten Publikum zugänglich zu machen – ohne dabei jedoch wie der Denkmalschutz rechtlich verbindlich zu sein – setzt diese grundlegende Arbeit fort. Im Oktober 2024 startete die Inventarabteilung der Region Grand Est eine umfassende Erhebung im Elsass. Im Fokus stehen dabei Synagogen, jüdische Wohnhäuser und Schulen, Ritualbäder sowie israelitische Friedhöfe. Die wissenschaftliche und finanzielle Umsetzung erfolgt in Partnerschaft mit der "Conservation régionale des Monuments historiques".

Bereits 2006 hatte das "Inventaire général" eine erste Studie in Lothringen initiiert. Dabei lagder Fokus auf jene Elemente des jüdischen Erbes, die besonders vom Verschwinden bedroht sind: darunter Mappot (bestickte Torabinden), Bücher, verlassene Synagogen und Friedhöfe, wie etwa der in Frauenberg.

Wie Rachi von der Champagne aus ganz Europa und Luther beeinflusste

In der Champagne-Ardenne wurde 2019 eine thematische Bestandsaufnahme des jüdischen Kulturerbes gestartet. Eine Besonderheit dieser Region besteht darin, dass sie durch den Rabbiner und Kommentator Rachi (1040–1105) nach ganz Europa ausstrahlte. Rachi, in Troyes geboren, studierte unter anderem an den talmudischen Schulen am Rhein, in Mainz und Worms. Sein umfangreiches Werk, das sowohl Einsteiger als auch Gelehrte anspricht, inspirierte sogar christliche Theologen wie Martin Luther. In Troyes befindet sich heute das Europäische Universitäts- und Kulturinstitut Rachi.

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